Wider das Vergessen

Hermann-Josef Müller und Ralf Schmeink
erinnern an die Opfer des Zweiten Weltkrieges

Nettetaler Spätlese. Zeitung für ältere Menschen 28/ 2007


Auf überaus großes Interesse gestoßen ist die Dokumentation "zum Gedenken an die Opfer der Nationalsozialisten und des von ihnen begonnenen Krieges", die der Zahntechnikermeister Hermann-Josef Müller (75) und der Berufsschullehrer Ralf Schmeink (41) kürzlich mit ihrer Sammlung von Totenzetteln herausgegeben haben. "Unsere Druckexemplare sind fast ausverkauft, wir haben viele Hinweise zur Ergänzung sogar von weither erhalten", erzählt Müller ganz stolz.

Erstaunt hat ihn vor allem das Interesse, das von außerhalb an diesem Buch gezeigt wurde. "Sogar von Köln kamen Anrufe, die meisten natürlich aus der näheren Umgebung, so Kempen, Elmpt, Krefeld oder Süchteln", zählt Müller auf. Kontakt hat mit ihm auch eine Gruppe aufgenommen, die sich um die Geschichte der Euthanasieopfer in der Süchtelner Psychiatrie kümmert. Eines dieser Opfer ist in dem Lobbericher Gedenkbuch vermerkt, doch sollen es mehr sein.

Schon jetzt weiß Müller, dass trotz der 400 schon bekannten Namen noch manche fehlen. Es sind hauptsächlich Vermisste, für die kein Totenzettel gedruckt wurde, oder auch evangelische Christen, da man bei ihnen diesen Brauch nicht kennt. "Die Suche bleibt weiter spannend, ich bin dankbar für so viele Anregungen, die schon kamen und hoffentlich noch kommen werden", meint Müller. Dazu gehört auch eine Sammlung alter Unterlagen vom Spargelhof Hermans in Dyck, unter denen sich drei Totenzettel befanden, "die wir noch nicht hatten". Von der Berichterstattung seiner Arbeit in der "Spätlese" erhofft sich Müller weitere Hinweise.

Auf was er sich eingelassen hat, als er vor einigen Jahren daran ging, die 80 Totenzettel zu ergänzen, die er im Nachlass seiner Mutter fand, hat er nicht im Entferntesten erahnt. Denn nun begann die Kleinarbeit. Weil Aufrufe in der Presse kaum Resonanz brachten, hat er sich bei Hinterbliebenen durchgefragt. "Das hat manchmal Stunden gedauert, da tauchte man tief in Familiengeschichten ein", erinnert er sich. Er selbst hat seinen Vater in Stalingrad verloren und kann gleichsam "mitreden"; trotzdem war er erstaunt über "seelischen Verwundungen", die in manchen Familien bis heute nicht ausgeheilt sind. Deshalb "erinnert das Buch an die Toten und zollt den Lebenden Respekt für ihr Durchhaltevermögen in dieser schweren Zeit", sagt Müller.

Zu denen, die sich dieses Gedenkbuch bei Müller holten, gehört auch eine Lehrerin, die den Zahntechikermeister gleich als Zeitzeugen für den Schulunterricht verpflichten wollte. Da setzt auch das Interesse von Ralf Schmeink ein, der als Berufsschullehrer erfahren muss, dass das Geschichtswissen der Jugendlichen sehr dünn ist. "Manche können nicht einmal mehr Honnecker von Hitler unterscheiden und kennen Krieg nur aus Computerspielen und Filmen", schildert er und ist sich sicher, dass die Totenzettel als "stumme und bleibende Zeugen" viel über die Folgen des Krieges erzählen können, vor allem dann, wenn mehrere Namen aus einer Familie auftauchen.

Geordnet sind die Namen nach dem Alphabet, es wurde auch nicht unterschieden nach dem Anlass des Todes: Gefallen im Krieg, umgebracht in der Psychiatrie oder in einem Konzentrationslager, gestorben beim V1-Einschlag. Hin und wieder sind Zitate aus den Totenzetteln eingestreut, insgesamt sollen sie aber aus sich wirken. "Ich möchte, dass die Leser die sehr unterschiedlichen, von tiefster religiöser Prägung bis hin zur fragwürdig nationalsozialistischen Opferbereitschaft formulierten Totenzettel lesen und auf sich wirken lassen", formuliert Müller sein Anliegen, die Opfer nicht zu vergessen. "Dieses Buch sei den Toten ein Gedächtnis, den Lebenden eine Mahnung, ergänzt Schmeink.

Schmeink ist Müller als Computerfreak und Promotor des Vereins Lobberland zur Seite gesprungen; er hat die Totenzettel in Druckform gebracht und schließlich für den Druck gesorgt. "Über dem jungen Glück lag der Krieg wie ein dunkles Verhängnis", wie der Titel des Buches heißt, wurde zunächst in einer Auflage von 60 Exemplaren hergestellt. Die Ausgabe III der Medienreihe des Lobberland e.V. hat inzwischen schon einen kleinen Nachdruck mit ersten Ergänzungen erfahren, doch nun will man etwa ein halbes Jahr warten, um dann eine revidierte Auflage herauszubringen. Das Buch ist erhältlich über Hermann-Josef Müller, Tel. 02153 2189, oder Ralf Schmeink, An St. Sebastian 30, Tel. 02153 9597929; es kostet 11 Euro.

Manfred Meis


Totenzettel, die reden

62 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kann sich die Generation der 20- bis 40-Jährigen kaum noch vorstellen, was Krieg ist, was er für sie bedeutet hätte. Vom Hindukusch her werden wir daran erinnert, was Krieg ist, wenn deutsche Soldaten Opfer von Anschlägen werden.

Die beiden hier abgebildeten Totenzettel haben auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun. Heinz Schroers war in Lobberich geboren, Helmut Vasters in Rheydt. Sie waren Vettern, ihre Mütter Schwestern aus der Heemels-Schreinerfamilie an der Elisabethstraße. Beide Mütter verloren ihren einzigen erwachsenen Sohn: Luise Schroers hatte noch vier Töchter, aber Jakobine Vasters blieb allein, denn ihr erster Sohn starb schon in Kindestagen.


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