Hochzeit

Von Wilhelmine Steinberg

aus: Nettetaler Spätlese. Zeitung für ältere Menschen Nr. 10 - Juni 2003


Wenn sich zwei Menschen entschlossen, gemeinsam durchs Leben zu gehen, wurden oft passende Sprichwörter zitiert, wie z.B.: "Ehen werden im Himmel geschlossen" oder "Die Liebe ist, wenn zwei Personen auf Erden schon im Himmel wohnen", "Sie landen mit Ihrem Lebensschiff in dem Hafen der Ehe".

Nicht immer werden oder wurden Ehen aus Liebe geschlossen. Meist spielten handfeste materielle Interessen eine größere Rolle. Besonders in ländlichen Kreisen war es Sitte, dass die Eltern den passenden Partner für ihre Kinder aussuchten, damit der Besitz nicht geteilt, sondern vermehrt wurde; aneinander grenzende Felder bei bäuerlichen Anwesen zusammen blieben. Die Mitgift spielte bei der Partnerwahl eine größere Rolle als Gefühle. Die Liebe, so argumentierten die Alten, stelle sich in der Ehe ein, oder, wie man so schön sagt: "Der Topf muss kalt aufgesetzt werden."
Ich glaube, nicht alle jungen Menschen schlossen unter diesen Voraussetzungen eine Ehe. Viele wehrten sich und gerieten in große Bedrängnis. Schlimmer wurde es, wenn zwei sich liebten und unbedingt zusammen leben wollten, die Eltern jedoch zerstritten waren und jede Verbindung untersagten. Als letzter Ausweg lieb ihnen oft nur der Tod! Solche Verhältnissen regten Dichter und Musiker an, ihre berühmten Dramen zu schreiben und zu vertonen, siehe Shakespeares "Romeo und Julia", und Gottfried Kellers "Romeo und Julia auf dem Lande". Gott Dank gab es auch Verhältnisse, wo der junge Mann in angemessener und geziemender Form um die Auserkorene warb, und alles einen natürlichen Verlauf nahm.

Kam eine Verbindung zwischen zwei jungen Menschen nun zu Stande, mussten noch allerlei Hindernisse überwunden und noch viele Vorbereitungen bis zur eigentlichen Hochzeit getroffen werden. Heiratete ein junger Mann in ein Anwesen ein, wurde ihm sogenanntes Hebegeld gezahlt.

Das Wort "Hochzeit" bedeutete: "Zeit der Freude, des Festes" eine sehr wichtige Zeit. Heirat: Beginn einer neuen Hausgemeinschaft. Vermählung: miteinander leben, man teilt Tisch und Bett. In der Ehe geht man einen neuen Rechtsstand ein. Große Veränderungen treten also im Leben der jungen Leute ein.

Doch meist verlobte man sich zunächst. Das geschah oft in feierlicher Form im Kreise der nächsten Angehörigen, wozu auch schon mal ein Priester den Segen erteilte. Zum Zeichen der Verbundenheit und Treue schenkte der Bräutigam seiner Zukünftigen den Verlobungsring, der bis zu Hochzeit links, danach an der rechten Hand getragen wurde.

Es wurden Eheverträge ausgehandelt über Größe und Umfang der Mitgift. Brach ein Partner das Versprechen, zog das unangenehme Konsequenzen nach sich. Es kam zu Klagen und Prozessen. Nicht nur in vergangenen Zeiten, wo strengere moralische Begriffe herrschten, auch heute noch kann der Bruch eines Verlöbnisses böse Folgen nach sich ziehen.

Ganz schlimm erging es Frauen, die ein Kind erwarteten, und der Vater sie nicht heiraten konnte oder wollte. Sie wurden geächtet und verfolgt und oft von den eigenen Eltern mit Schimpf und Schande aus dem Haus gejagt. Schon zu Abrahams Zeiten gab es so unglückliche Wesen wie Hagar, die mit ihrem Sohn Ismael in die Wüste geschickt wurde. Gott Dank zeigt sich die neuere Zeit toleranter und duldsamer. Es ist keine Schande mehr, als Frau ein Kind allein groß zu ziehen. In unserem emanzipierten Zeitalter wünschen sich viele Frauen ein Kind, wollen aber mit dem Vater keine Verbindung eingehen. Das wird hoffentlich keine Schule machen, denn nach wie vor wachsen Kinder am besten unter der Obhut von Vater und Mutter heran, wie die Familie ja auch die Keimzelle des Staates bedeutet.

Nicht religiös gebundenen Paaren genügt die standesamtliche Trauung. Nur staatlich oder auch kirchlich, alle Paare hängen 3 Wochen vor der Hochzeit im Kästchen am Standesamt aus, sowie sie früher auch noch in der Kirche dreimal aufgerufen wurden. Sollte jemand Einwände gegen die Eheschließung vorbringen, kann das in dieser Zeit geschehen.

Als man noch in der Kirche aufgerufen wurde, sollte und durfte das Brautpaar in dieser Messe nicht anwesend sein; das brachte Unglück, wie der Volksmund sagte.

In der Advent- und Fastenzeit wurden keine kirchlichen Hochzeiten gehalten, es sei denn, es stand ein "Muss" dahinter. Dann aber geschah es in aller Stille ohne jeglichen Aufwand. Der bevorzugte Tag der Eheschließung war früher der Dienstag, wogegen heute der Samstag gewählt wird. Meist findet tags vorher die standesamtliche Hochzeit statt, die seit der Besatzung Napoleons 1798 eingeführt wurde.

Zum sogenannten Junggesellenabschied, bei uns "Letsch" genannt, wird nicht eingeladen, Es kann kommen, wer gerne möchte oder sich mit dem Paar in irgendeiner Weise verbunden fühlt. Es wird viel getrunken und auch gegessen. Zeigte sich der Gastgeber kniepig oder geizig oder die Braut erwartet ein Kind, kippte man ihm Kaaf vor die Türe; keine süße, sondern eine wenig schöne, staubige Rache. Die Letsch gab vielen jungen Menschen Gelegenheit sich kennen zu lernen und manche neue Verbindung wurde bei dieser Gelegenheit geknüpft. Auch wurde das Kränzen und Schmücken des Hochzeitshauses besprochen. Einige Tage vorher versammelte sich abends das junge Volk um Röschen zu drehen. Es ging dabei sehr lustig zu, denn das Brautpaar ließ die Flasche kreisen oder spendete auch schon mal einen Kasten Bier.

Tags vor der Hochzeit wurden die Girlanden angebracht. Sie umrahmten oft sinnige Sprüche; auch Birkenbäumchen rechts und links des Eingangs ergaben ein festlichen Bild.

Das Abräumen nach der Hochzeit war wieder Anlass zum fröhlichen Beisammensein und wurde abschließend durch den Kränzerkaffee zum Höhepunkt geführt.

Besonders in rein ländlichen Gebieten leiteten Böllerschüsse (mittels Karbid in Milchkannen) den Hochzeitsmorgen ein. Auch wenn der Hochzeitszug aus der Kirche sich dem Haus näherte, wurde er mit Freudenschüssen empfangen. So war es Brauch im Bocholt, im Dyck dagegen böllerte man schon am Abend vorher.

Bei einer Hochzeit passieren doch oft die komischsten Dinge. Von zwei bäuerlichen Brüdern, alten Junggesellen und Hagestolzen, wollte einer heiraten. Nachdem sein Bruder jedoch 100000 DM für die Trennung verlangte, ließ er Frau und Hochzeit sausen.

Schlimm war es, wenn die Hochzeitsgesellschaft auf dem Standesamt wartete und kein Bräutigam erschien. Er ließ einfach die Hochzeit platzen. Wenn auch selten, aber es passierte doch schon mal.

Eine Gesellschaft fuhr mit gemieteten Kutschen zur Kirche, es war zu der Zeit, als die Priester noch mit dem Rücken zum Volk die Messe lasen. Diese war noch nicht aus, als der Pastor sich umdrehte und zu seinem größten Erstaunen die Kirche leer fand. Später, den Brautvater zur Rede stellend, meinte dieser: "Herr Pastor, wer han die Kutschen mar vor een Stund gemietet, länger waute wörd te dü-er".

Zur Zeit der spanischen, später der französischen Besatzung, trugen Bräute schwarze Kleider. Bis um 1900 herum hielt sich der Brauch. Dann setzte sich zögernd das weiße Kleid mit Kranz und Schleier durch.


Hochzeit 1893

In den Bauernschaften fuhr wenigstens das Brautpaar in einer besonders schönen Kutsche, wenn nicht sogar die ganze Gesellschaft in Kutschen zur Kirche fuhr. Man feierte anschließend schon mal in einem Gasthof, je nach Größe der Gesellschaft, vielfach jedoch auf dem elterlichen Hof, wo die schön geschmückte Scheue die vielen Menschen (oft 80-100) besser aufnehmen konnte.

Nachbarn und Freunde halfen in jeder Weise tüchtig mit, die Feier würdig zu gestalten. Die Paten schenkten meist eine Hochzeitstruhe und ein Spinnrad mit selbstgesponnenem Leinen.

Der Hochzeitsstag wurde mit fröhlichem Gesang, Tanz und allerlei Spielen, Auslosen des Brautkranzes usw. beschlossen. Es wurden auch allerlei Streiche von Seiten des jungen Volkes ausgeheckt. So wurde die Braut entführt und der Bräutigam musste sie auslösen, nachdem er sie endlich gefunden hatte. Auch widmete man dem Brautgemach besondere Aufmerksamkeit. Im schlimmsten Fall wurde es ganz oder zum Teil ausgeräumt. Man versteckte den Schlüssel, streute Erbsen, verschloss zu verschiedenen Zeiten ablaufende Wecker, nähte Nachthemden zu und was es sonst noch an schlimmen Streichen gab.

Bis zum ersten Weltkrieg unternahm, wer konnte, gerne eine Hochzeitsreise. Oft verband sich Freude mit religiösem Empfinden und man besuchte Rom oder Lourdes. Weniger gut Betuchte pilgerten nach Kevelaer, was nicht nur als Hochzeitreise, sondern auch als Sommerreise der kleinen Leute galt. Nach der Inflation wurde das Geld für derartige Unternehmungen knapp.

Es ist allgemein Sitte, dass eine Hochzeit per Anzeige in Heimat- oder anderen Zeitungen angekündigt wird. Auch werden für auswärts wohnende Freunde, Verwandte und Bekannte Karten verschickt, woraus Tag, Stunde und in welcher Kirche geheiratet wird, zu ersehen ist.

Früher fand in bürgerlichen Kreisen die Feier stets im Elternhaus statt. Man richtet sich eben ein. Freiwillig helfende Hände waren stets zur Stelle. Heute wählt man meist ein hübsches Lokal.

Da bei uns die Straßengemeinschaften wieder groß in Mode gekommen sind, tragen sie in unserer Zeit viel zum guten Gelingen des Festes bei.

Wie und in welcher Form auch gefeiert wird, das Schiff, das an diesem Tag im Hafen der Ehe landet, kann nicht ruhig und friedlich vor Anker liegen bleiben; sondern dann geht's erst hinaus auf die stürmische See und es hat im Laufe des gemeinsamen Lebens viele Gefahren zu bestehen. Doch wenn ein liebend Band die Eheleute vereint, werden sie ihr Schiff schon richtig steuern. Denn wie heißt es so schön bei Paulus: "Die Liebe ist langmütig und freundlich, sie verträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles, denn die Liebe höret nimmer auf. Es bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese Drei, aber die Liebe ist die grösste unter ihnen". Beherzigen junge Eheleute diesen Spruch, wird der gemeinsame oft schwierige, gefahrvolle Lebensweg viel leichter werden.


mehr aus der Spätlese

Mehr Geschichte und Geschichten