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1. Teil.
Aeußere Geschichte der Gemeinde Lobberich


Erstes Kapitel:

Aelteste Nachrichten über Lobberich und Umgegend.

Zur Zeit des römischen Feldherrn Julius Cäsar wohnten zwischen Rhein und Maas die Menavier, eine Völkerschaft germanischen Ursprungs, welche sich in Vorzeiten am linken Rheinufer einen neuen Wohnsitz gesucht hatte, und hierselbst, wie Cäsar ausdrücklich berichtet, dem Ackerbau ergeben war. Auch die Fläche der jetzigen Bürgermeisterei Lobberichund deren umliegenden Nachbargemeinden wird von diesen bestimmt bewohnt gewesen sein. Wenn auch das Kirchspiel Lobberich ursprünglich viel Wald, Haide und Wasser gehabt haben mag, so besaß es doch, gemäß der Bodenbeschaffenheit, noch mehr fruchtbaren Acker, Wiese und Weide, sodass darauf der Bericht des Julius Cäsar von vorgefundenen Äckern, Gebäuden und Dörfern (d.h. kleiner Ansiedelungen) passt, die er sonst noch in Deutschland vermisste. - Zweifellos hat der schon zur Römerzeit lebhafte Verzehr zwischen den Orten Xanten, Nymwegen, Mastricht, Aachen und Köln, das Aufblühen der hiervon berührten Gegend befördert. Schon beugten andere benachbarte Völkerschaften ihren Nacken unter das römische Joch, als unsere Menapier, vertrauend auf den Schutz ihrer Sümpfe und Wälder, es trotzig verschmähten, des Friedens wegen Gesandte an Cäsar zu schicken. Mit großer Heeresmacht rückte dieser i. J. 52 vor Christus gegen sie vor, brannte ihre Gebäude und Dorfschaften nieder, und bemächtigte sich einer großen Anzahl Vieh und Menschen.

Nunmehr waren auch die Menapier genötigt, sich der römischen Herrschaft zu unterwerfen, und herrschte sodann am Niederrrhein Jahrhunderte lang der römische Militärdespotismus. Zur Behauptung des eroberten Landes legten die Römer am linken Rheinufer einer Reihe von Festungen an, die eine starke Besatzung hatten und durch "Heerstraßen" in Verbindung standen. Von diesen Festungen ist für unsere Gegend Fürstenberg bei Xanten, (castra vetera) bemerkenswert, von wo aus eine "Heerstraße" sich nach Theudurm (Tüddern bei Sittard, Holland) hinzog, deren beide erste Stationen Mediolanum (Dartmanshönd bei Pont) und Sablones (Sand bei Straelen) waren.

Die Straße berührte auch das Gebiet der Gemeinde Leuth, westlich vom Hofe Brand. - Die so genannte "Carls" - auch "Steinstraße" ist eine ehemalige römische "Heerstraße" von Aachen nach Nymwegen. Sie tritt, von Nymwegen kommend, zwischen Meere und Goch, ohne den letzteren Ort zu berühren, in den jetzigen Kreis Geldern, berührt die Orte "Maria Wasser", (ehemals Kloster und jetziges Gut bei Weeze), Wemb, Twisteden, Walbeck, Straelen, übersteigt den "Boichberg" (Buschberg,) indem sie das Dorf Herongen im Thale rechts lässt, überschreitet bei der "Bolhardsmühle", (Flortsmühle,) nahe bei Schloß Krickenbeck die Nette, durchschneidet die Gemeinde Hinsbeck, ohne das Dorf zu berühren, tritt sodann in den jetzigen Kreis Kempen, geht vor der Burg Bocholtz (zu Lobberich), welche die rechts am Wege lässt, vorbei; (dort sind ihre Spuren in einer Entfernung von 450 Meter nordöstlich von der ehemaligen Burg noch nachweisbar.) Noch vor ca. 20 Jahren fand der Besitzer des Bengmanshofes zu Sittard bei Lobberich, Herr Gerhard Heythausen, beim Lehmstechen zu einem Ziegelofen, auf seinem Stücke Ackerland in unmittelbarer Nähe seines Hofes, (demselben Stücke, welches er an die Gemeinde verkaufte, und worauf jetzt das Maschinenhaus und die Brunnen des Wasserwerkes seit 1898 sind,) 4 römische Aschen=Urnen. Da hier in unmittelbarer Nähe der Burg Bocholtz und der Carlsstraße Beerdigungen stattgefunden hatten, hat doch sicher auch in unmittelbarer Nähe eine, wenn auch kleine römische Ansiedlung gelegen. Von dort geht sie in der Richtung zwischen Viersen und Dülken in den Kreis Gladbach. Auf der bis heran beschriebenen Strecke ist sie überall (noch 1863) Fahrweg, zwischen 20-24 Fuß breit, und als "Carlsstraße" bekannt. Im Kreise Gladbach, wo sie vor wenigen Decennien ebenfalls noch 20-24 Fuß breit war, ist sie infolge der zunehmenden Industrie und Bevölkerung aber stellenweise zu einem Feldwege zusammengeschrumpft, und führt den Namen "Caarstraße", was deutlich genug an "Carlsstraße" erinnert. (Auch bei Hinsbeck "Caarstraße" genannt.) Sie nimmt dort, aus der Richtung zwischen Viersen und Dülken kommend, ihre Richtung auf Gladbach, bei dem sie eine Viertelstunde westlich vorbeiläuft, durchschneidet demnächst die Aachener "Heerstraße", zieht sich über Pongheide nach Cafter (?), und von dort nach Jülich und Aachen. Sie war im Kreise Gladbach noch im vorigen Jahrhundert die Hauptfahrtstraße auf der westlichen Seite der Stadt Gladbach, während südöstlich von dieser Stadt eine zweite Straße bestand, welche nach Neuß führte.

Um die Mitte des 3. Jahrhunderts verschwinden dem Namen nach die einzelnen Völkerschaften am Mittel- und Niederrhein, und treffen wir statt dieser ein Volk mit dem Gesamtnamen der Franken an, welches im Anfange des 5. Jahrhunderts der Herrschaft der Römer am Rheinein Ende machte. Ein Teil der Franken, die Salier, verbreitete sich allmählich über das gegenwärtige Belgien und nördliche Frankreich; der andere Teil, die Ripuarier, gründete im 5. Jahrhundert ein eigenes Reich mit der hauptstadt Köln. Nach neueren Untersuchungen gehörte Lobberich und die angrenzenden Gemeinden nicht zu zu Ripuarien. Als der letzte König der Ripuarier, Eigebert, durch seinen Sohn Childerich ermordert worden war, vereinigte der salfränkische (?) König Chlodwig i. J. 510 das ripuarische Reich als eine besondere Provinz mit der von ihm gegründeten großen fränkischen Monarchie. Bei der Teilung dieser Monarchie unter die Söhne Ludwigs des Frommen, im Jahre 843, kam unsere Gegend zu Lothringen, welches durch König Heinrich I i. J. 925 als fünftes Herzogtum mit dem deutschen Reiche vereinigt wurde.

Die Altgermanen teilten bekanntlich ihr Land in Gaue ein und gehörte der Distrikt von Lobberich ganz bestimmt zum so genannten "Mühlgau". Die älteste Nachricht über diesen Gau bietet der karolinische Teilungsvertrag v. J. 837, durch welchen Kaiser Ludwig der Fromme seinen jüngsten Sohne Karl einen Teil des Reiches, zu dem auch der "Mühlgau" gehörte, abtrat. Als im "Mühlgau" gelegen, werden uns unter verschiedenen anderen Orten, i. J. 866 Jüchen, 867 Wanlo, 899 Herongen, 966 Erkelenz, 1123 Süchteln, später noch: Bracht, (welches früher Mühlbracht im Gegensatze zu dem bei Roermond gelegenen Maasbracht genannt wurde,) Amern 1372, und 1421 noch Brüggen genannt wodurch erwiesen ist, dass eine Urkunde es uns besagt, zu diesem gehört haben muß.

Der "Mühlgau" grenzte südlich teils an den Jülichgau, teils an den Maasgau, westlich an den Maasgau, nördlich an den Attuariergau, und östlich an den Neußergau und Kölngau. Im Westen erstreckte sich seine Grenze längs der Maas über Venlo bis nach Gennep in nordöstlicher Richtung bis zu den Niederungen an den Bönninghardt=Straelen und die geldernsche Vogtei lagen somit noch in diesem Gau.

Die Franken hielten nach Vertreibung der Römer in sozialer Hinsicht die altgermanische Einteilung des Landes in Gaue bei, in politischer Beziehung aber teilten sie es in "Grafschaften" ein. An der Spitze einer Grafschaft stand ein vom Könige aus den Begüterten des Gebietes gewählter Beamter, welcher "Graf" hieß. Dieser erhob die königlichen Einkünfte, saß zu Gericht, rief das Volk zu den Waffen, und führte es in den Krieg. Ohne Zweifel sind im Mühlgau, wie in andern großen Gauen, mehrere Grafschaften gewesen. Mit den "Gau-Grafschaften" gingen aber schon seit der Zeit Karls des Großen, gest. 814, wichtige Veränderungen vor, welche die Zersplitterung derselben zur Folge hatten. Geistliche und weltliche Herren erwarben nämlich für ihre Grundbesitzungen durch königliche Privilegien die Befreiung von öffentlichen Diensten und Abgaben, völlige Aushebung aus der Gerichtbarkeit des Grafen usw., und bildeten hierdurch ihre Gebiete zu selbständigen Territorien aus, was auch wohl bei der "Burg Bocholtz", die i. J. 1096 zuerst erwähnt wird, und dem wohl damals dazu gehörigen Gebiete von Lobberich, der Fall gewesen zu sein scheint. Auch wohl der Distrikt um Krickenbeck herum ist auf diese Weise wohl ein unabhängiges Gebiet, eine für sich bestehende "Grafschaft" geworden, deren Benennung von der in ihr liegenden Burg Krickenbeck entlehnt wurde. - Die "Annalen von Klosterrath" nennen ausdrücklich im Jahre 1104 einen Heinrich "Grafen" von Krickenbeck, welche Titulatur einen Comitat (?) voraussetzt. Sie führen denselben Heinrich neben den Grafen Gerhard von Geldern, Goswin von Heinsberg und Theodor von Kleve an, und zählen ihn zu den berühmten Männern seiner Zeit. Wie wäre solche Zusammenstellung unseres Heinrich, dessen Vorfahren sich ebenfalls als Grafen erkennen lassen, mit den drei andern Grafen möglich gewesen, wenn derselbe nicht thatsächlich einer Grafschaft vorgestanden hätte? -

Das Residenzschloß der Dynasten und Grafen von Krickenbeck lag in der Gemeinde Leuth, an der Nette, in der Nähe der "Leuthermühle" und des "Burghofes", welche beide ehedem auch dazu gehörten und war i. J. 1251 bereits längere Zeit abgebrochen. Der Schlossplatz ist noch teilweise mit Graben und Wall umgeben, und zur Zeit Ackerland zum Schabbershofe gehörig. Noch heute heißt er "op de alde Borg". - Beim Fällen alter Eichbäume in dieser Umwallung der "alten Borg", im Juni 1900, wurden ca. vierzig fränkische Urnen unter vier Eichbäumen gefunden, (dem 5. bis 8. Jahrhundert entstammend,) die aber leider alle zerstört wurden. Nicht lange nach dem Untergange der "alten Burg" entstand das (unter Hinsbeck an der Nette gelegene) gegenwärtige "Schloß Krickenbeck", welches im Gegensatze zu der erstgenannten Burg zuweilen (1356, 1357, 1479) auch unter dem Namen "Neukrickenbeck" vorkommt, während jedoch an der Gohlstätte (?) der zerstörten Burg und des zu ihr gehörenden Areals, vorzugsweise der Name "Altkrickenbeck" haften blieb. - Bereits i.J. 1226 begegnet uns zu Hinsbeck ein Arnold von Altkrickenbeck, ein thatsächlicher Beweis, dass schon um diese Zeit der Untergang der alten und die Anlage einer neuen Burg stattgefunden hatte.

Sollte die Nette nicht in alter Zeit bei Leuth "Kriekbeck", d.h. schlängelnder Bach geheißen, und davon "Schloß Altkrickenbeck" seinen Namen bekommen haben? - Unter dem in den Niederlanden noch gegenwärtig vielfach üblichen Worte "Kriek" oder "Kreck", welches an das deutsche "Kriechen" erinnert, wird ein sich schlängelnder Bach (een kromme grift of sloot) verstanden. - Graf Otto II. von Geldern beabsichtigte i.J. 1251 die Gründung eines Zisterzienserklosters auf dem Schloßplatze von Altkrickenbeck. Das Projekt kam aber zu Leuth nicht zu Stande, denn Otto errichtete das Kloster, (in dem sich die Gruft der Grafen und späteren Herzöge von Geldern befand,) in der Pfarre Asperden (?) bei Goch, auf dem dort vorhandenen gräflichen "Schlosse Rott", und war der Bau i. J. 1255 vollendet. Die Stiftung bekam den Namen "Grafenthal", hieß aber von Anfang an auch "Neukloster", im Gegensatze zu dem älteren Kloster desselben Ordens zu Roermond. Otto schenkte demselben im Jahre 1255 vieler Güter, u. U. auch das Patronat der Pfarrkirche zu Leuth.

Ueber die Verkuendigung und Ausbreitung des Christentums, desgleichen über die Erbauung christlicher Kirchen in hiesiger Gegend, herrscht hier, wie allenthalben am Niederrhein, leider großes Dunkel. Sicher ist, dass Christentum und Heidentum eine Zeit lang neben einander bestanden, und die anfänglich nur wenigen Neubekehrten keine eigenen Gotteshäuser besaßen, sondern sich berufs Ausübung ihrer gottesdienstlichen Verpflichtungen nach älteren, entlegenen Gemeinden begeben mussten. Nach der tradition soll die älteste und erste Kirche Lobberich´s die Kapelle zu "Burg Bocholtz" gewesen sein. Diese Tradition ist noch erhalten, und wäre demgemäß diese entstanden, als bereits mehrere katholische Familien dort ansässig waren.

Wie die Ortssage berichtet, hat der heilige Amandus, welcher i.J. 647 den Bischofsstuhl zu Mastricht bestieg, (gest. 675,) die Lehre Christi zu Herongen, (wo er auch Pfarrpatron ist,) Hinsbeck und Umgegend verkündet, eine Tradition, welche umsomehr Glauben verdient, da es Thatsache ist, dass Herongen, ursprünglich ein Königliches Hofgut, schon i. J. 899 im Besitze des von Amandus gestifteten Klosters St. Amand oder Elnon in Flandern war. - Im oberen Dorfe Herongen, etwa 1 ½ Minuten von der Pfarrkirche, steht die alte, geräumige, etwa 1894 innen und außen schön restaurierte St. Amanduskapelle, und vor derselben auch noch der beim Volke hochgeehrte "St. Amandusbrunnen", der ebenfalls restauriert ist, und worin der Heilige ehedem die Neubekehrten getauft haben soll. - Dieser Brunnen wurde seitens der Gemeinde im Jahre 1897 mit einem schönen Amandus-Denkmal geziert, zur Erinnerung an das 60jährige Pfarrjubiläum des hochw. Herrn Pfarrers Timong. - (Johannes Timong war Pfarrer zu Herongen seit dem 6. Oktober 1836 und feierte dies Jubiläum am 6. Okt. 1896. Inmitten der Vorbereitungen zu seinem 70jährigen Priesterjubiläum, 5 Tage vor demselben, entschlief er im nahezu vollendeten 94 Lebensjahre, am 17. Dezember 1897.)

Nach des hl. Amandus Tode sorgte sein Nachfolger auf dem bischöflichen Stuhle zu Mastricht, der heilige Bischof und Märtyrer Lambertus, ermordet 708, Pfarrpatron zu Leuth und Breyell, sowie vieler Kirchen im Maasgau, eifrig für die Ausbreitung des Christentum´s - Außer dem heiligen Lambertus war auch sein Zeitgenosse, der heilige Willibrordus, der bei seiner Anwesenheit in Rom vom Papste den Namen Clemens erhielt, und als solcher erster Bischof von Utrecht wurde, gestorben 738, für die Ausbreitung des Christentums sehr bemüht; groß ist die Zahl der Klöster, Kirchen und Kapellen, die er weit und breit gegründet hat, ja 52 werden ihm zugeschrieben; er wird auch auf den Bildern, eine Kirche auf der Hand tragend, dargestellt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird unsere hiesige Gegend einem dieser drei Heiligen die Ueberbringung des heiligen katholischen Glaubens zu verdanken haben. Wann die katholische Pfarre Lobberich gegründet, ist nicht bekannt. Der Erzbischof Marinus von Köln, der vom Jahre 976 bis 984 regierte, trat jedoch schon die Kirchen von "Tieglau" (Tegelen), "Ludbach" (Lobberich) und "Venloe" (Venlo) an das Bistum Lüttich ab, - wofür er vom Bistum Lüttich Gladbach und "Royda" (Rheydt) als Austausch erhielt.

Nach anderen soll die Abtretung von "Ludbach" etc. erst unter dem Kölner Erzbischofe Evergerus welcher von 984 bis 999 regiert erfolgt sein. (Diese Ansicht habe ich auch im Kapitel Link "Kirchliche Zugehörigkeit Lobberich's vertreten) Nach einem anderen Forscher soll die Austauschung dieser genannten Mühlgauer Pfarreieneben nach der THrobnbesteigung Kaisers Otto III. d, die 995 erfolgte, erfolgt sein. Diese Ansicht würde sich mit der vorstehenden genau decken.


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Link Zweites Kapitel: Lobberich unter Geldern