Zur wirtschaftlichen Entwicklung Lobberichs


VON JOSEF FUNKEN, NETTETAL

Die Entwicklung des Kirchspiels Lobberich hat sich jahrhundertelang nicht wesentlich von der anderer Orte unterschieden. Bis um das Jahr 1800 blieb Lobberich ein kleines verträumtes Dorf mit fast rein landwirtschaftlicher Struktur abseits der großen Verkehrswege, mit einigen Leinwebern, mit Handwerkern und Tagelöhnern und insgesamt rund 1800 Einwohnern, während zu dieser Zeit der jülichsche Handelsort Breyell bereits mehr als die doppelte Seelenzahl aufwies.

Der seit dem 16. Jahrhundert im Lande von Erkelenz bis Krickenbeck betriebene Anbau von Flachs war auch im Randdorf Lobberich von einiger Bedeutung. Die Wurzeln der industriellen Entwicklung des Dorfes sind in der als Hausindustrie betriebenen Leinenspinnerei und -Weberei zu suchen. Ihr Niedergang, beeinflusst durch die Zentren M. Gladbach (Baumwolle) und Krefeld (Seide), vor allem aber durch die englische Konkurrenz, verdrängte den Flachs vollständig.

Erste Anfänge einer bemerkenswerten allgemeineren wirtschaftlichen Entwicklung finden sich in Lobberich um 1800 mit einigen Bierbrauereien von lokaler   Bedeutung (so Huenges und Pötter), einigen Mühlen (Link Kothmühle, Link Neumühle und   Bockwindmühle), einer Lebensmittelgroßhandlung (Rathmachers) und dem   Zimmererbetrieb Josten (1813). Die Tradition des alten Leinenwebergewerbes setzte der vom Bengmanshof kommende Joachim Heythausen (1729-1813) mit der Gründung einer Leinwandfabrik fort, die erste Initialzündung auf dem industriellen Sektor. Ein Sohn Jakob sattelte noch vor Aufhebung der Kontinentalsperre von Flachs auf Baumwolle um und hatte um 1810 mit seinem Bruder Quirin die Baumwollfabrik den damaligen Verhältnissen entsprechend gut ausgebaut. 25 Jahre später wurden bereits 126 Arbeitskräfte beschäftigt. Für das Jahr 1840 wird berichtet, daß die Firma durch den Tod des Vaters keine Ausdehnung mehr erfahren habe und 80 bis 83 Webstühle beschäftigt werden können. 1848 wurde bei Ausverkauf des Warenvorrats die Löschung der Firma Jacob Heythausen Söhne, Siamosenfabrik, beantragt. Seit 1849 wurde eine Material- und Stuhlwarenhandlung betrieben. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erlag das Unternehmen dann der übermächtigen Konkurrenz; das Heythausengebäude auf der Hochstraße ist erst kürzlich niedergelegt worden.

Eine Färberei wurde von Joh. Heinrich Michels um 1811 am Hinsbecker Weg (Bahnstraße) eingerichtet und von den Söhnen weiter ausgebaut, später als Färberei und Druckerei. Zu Anfang dieses Jahrhunderts florierte noch die Dampffärberei und chemische Reinigungsanstalt der Gebrüder Michels auf der Hochstraße. Der letzte der drei Michelsbrüder starb 1943.

Im Jahre 1837 arbeitete Theodor Mommers, ein Sohn des bei Heythausen tätig gewesenen technischen Leiters Bandmachermeister Franz Mommers, mit einigen Gesellen in Samtband für auswärtige Fabriken in Viersen und Krefeld. Später beschäftigte Mommers noch einige Webergesellen aus dem Kreise Erkelenz. Da die eigene Kapitaldecke jedoch nicht ausreichte, kam es nach einer mehrjährigen Tätigkeit bei Fa. J. L. de Ball &- Cie. 1854 zur Gründung der Firma Theodor Mommers, Niedieck & Cie, Samt- und Samtbandfabrik, aus der am 31. Mai 1865 Mommers ausschied. Er machte sich mit einer Seidenmanufaktur unter Übernahme der Branche festkantiger Samtbänder aus der alten Firma selbständig; 1867 wird firmiert Theodor Mommers & Co/ Seide- und Samtbandfabrik, die 1879 in die Fa. Niedieck aufging.

Um 1850 erfuhr Lobberichs Wirtschaft eine erhebliche Wandlung. Man kann heute kaum mehr mit Sicherheit klären, ob es einem glücklichen Zufall, guten Verbindungen der Verwaltungsspitze oder günstig erworbenen Industriegrundstücken zu danken ist, daß um diese Zeit unvorhersehbar und plötzlich die örtliche industrielle Revolution ausbrach, die das Dorf aufweckte und im Laufe der folgenden Jahrzehnte zu großer Entwicklung führte.

Zunächst gelang es dem betriebsamen Bürgermeister Kessels, die Gebrüder Felix und Victor de Ball, deren Vater Johann Ludwig in Geldern eine Samtfabrik unterhielt, nach Lobberich zu holen. Schon Ende 1845 etablierte sich am Hinsbecker Weg (spätere Bahnstraße) die Fa. J. L. de Ball & Cie, Stücksamt und Samtband, mit 400 Stühlen, wobei die Arbeitskräfte vor allem aus dem Reservoir der Heimweber kamen. Das Unternehmen ließ sich sehr erfolgreich an, auch die 1848 auftretenden Differenzen bei der Entlohnung für Stücksamt konnten im allseitigen Einvernehmen beigelegt werden. Um diese Zeit zahlte die Firma an Gewerbesteuer jährlich 19 Taler 15 Silbergroschen; die Betriebsinhaber Felix und Victor de Ball wurden mit je 12 Talern zur Klassensteuer veranlagt. Um 1849 wurde der Kaufmann Hermann Reifenstuhl in die Firma aufgenommen, der mit Felix de Ball einen Zweigbetrieb in Leipzig aufbaute.

Im Oktober 1861 kam es aus wirtschaftlichen Gründen zum Verkauf der Firma de Ball an den Schwager und bisherigen Mitarbeiter Hermann van der Upwich aus Nunspeet/Holland (1835-1922), der 1851 als Lehrling in die Firma eingetreten war und nun zusammen mit Reifenstuhl den Betrieb zu weltweiter Bedeutung führte unter der Firmung: J. L. de Ball & Cie Nachfolger, Seide- und Samtbandfabrik. Felix und Victor de Ball wurden als Associés beteiligt.

1869 wurde ein weiteres Fabrikgebäude an der Bahnstraße errichtet, das 1886 ein Areal von 12 000 qm umfaßte. Für 1881 betrug der Feuerversicherungswert des Betriebes 2,6 Mio. Mark. Inzwischen war zur Erschließung des österreichischen Marktes ein weiterer Filialbetrieb, und zwar in Graslitz/Böhmen, aufgebaut worden.

Im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts kam es zu ersten Betriebseinschränkungen mit Verkürzungen der Arbeitszeit, wobei die Samtbandabteilung volle Beschäftigung halten konnte. Auch nach 1900 gingen Samtstoffe sehr schlecht, so daß verstärkt auf Lager gearbeitet werden mußte. Die Ursache wurde in den hohen Zöllen nach Frankreich und in die USA sowie in dem verstärkten Aufbau der USA-Konkurrenz gesucht. Hinzu kam, daß die jeweilige Moderichtung die de Ball-Erzeugnisse oft nicht begünstigte. Am 12. September 1904 berichtete der Betriebsinhaber Geheimer Kommerzienrat Hermann van der Upwich, Mitglied des Gemeinderates und des Kreistages, der mit seinen Söhnen Carl und Anton die Geschicke des Betriebes bestimmte, dem Bürgermeister Heckmann: "Arbeitszeit und Produktion in der Samtbandabteilung sind eingeschränkt, wodurch bisher Entlassungen vermieden wurden, die aber bald unerläßlich werden. Recht zu bedauern ist, daß namentlich jüngere unverheiratete Leute sich nicht entschließen können, andere Berufszweige zu wählen und hier hängen bleiben, wo auswärts soviel Arbeit zu haben ist." Produktionsstörungen drohten in diesem Jahre auch durch die infolge des Bergarbeiterausstandes unzureichende Kohlebelieferung durch die Zechen.

Auch in den späteren Jahren war die Lage recht unterschiedlich. Zeiten der Vollbeschäftigung wie besonders im Jahre 1907, als van der Upwich ausrührte, daß sich die Arbeiter die gute Konjunktur zunutze machen und in ihren Forderungen unbescheiden werden, folgten fast regelmäßig Zeiten der Flaute, zum Teil beeinflußt durch den noch immer herrschenden Zollkrieg mit Kanada und die neuen erhöhten Zölle in USA (1909). Im ersten Weltkrieg kam es in Lobberich und Leipzig zu erheblichen Betriebseinschränkungen. Die Fertigung ging fast ausschließlich auf Seidenstoffe und Sandsäcke. In der Fabrikkantine wurde eine Suppenküche eingerichtet. Die Kriegsfolgen überwand man nur schwer. Während der Betrieb 1925 noch 656 Leute beschäftigte, sank die Zahl im folgenden Jahre auf 264. Im Jahr 1927 kam es schließlich zum Aufbau der Betriebsgemeinschaft Niedieck/de Ball, Samt- und Samtbandfabrik.

Die zweite Großfirma, welche das wirtschaftliche Geschick des Ortes bestimmte dankt ihren Ursprung der Gutsbesitzersfamilie Job. Gerh. Niedieck in Stromberg bei Münster. Die Firma de Ball war inzwischen weit bekannt geworden; auch schien sich der Raum Lobberich für eine weitere Industrieansiedlung anzubieten. Die in diese Richtung zielenden Absichten der Niedieck trafen sich mit den Wünschen des Werkmeisters Th. Mommers nach Selbständigkeit. Am l. Mai 1854 kam es zur Gründung der Samt- und Samtbandfabrik Mommers, Niedieck & Cie, Inhaber Theodor Mommers, Wwe. J. G. Niedieck und als Mitvorstand der Sohn Julius Niedieck, der einigt Zeit bei de Ball volontiert hatte und auch in Leipzig tätig gewesen war, nun als Geschaftsführer ein jährliches Salär von 400 Talern bezog und für eigene Rechnung der Großhandel in den Firmenerzeugnissen betrieb. Als weitere Fachkraft trat sein jüngerer Bruder Carl Niedieck (1836-1911) nach Beendigung seiner Volontärzeit in einer Lyoner Seidenweberei, wo er auch 1859 einige Zeit weilte, als Commis ein. Sein Eintritt bedeutete die Erweiterung der Produktion von Samt und Samtband um Seidenstoffe. Als der Teilhaber Mommers einsehen mußte, daß sein gewiß umfassendes Fachwissen den neuen Erkenntnissen und dem kaufmännischen Geschick der jungen Niedieckbrüder nicht mehr gewachsen war, entschloß er sich nach Empfang einer entsprechenden finanziellen Abfindung zum Austritt aus der Firma zum 31. Mai 1865, begründete aber sofort ein eigenes Unternehmen, zu dem bereits einiges gesagt worden ist.

Carl Niedieck hatte schon 1863 mit dem Bankier Heinrich Schölvinck aus Coesfeld auf der unteren Breyeller Straße ein eigenes Unternehmen aufgebaut, das sehr bald 240 mechanische Samtbandwebstühle in zwei Websälen aufstellte, die von einer Lokomobile angetrieben wurden, und mit der Herstellung von festkantigem Doppelsamtband Erfolge erzielte. Beide Niedieckunternehmen schlössen sich am l. Juni 1865 zur Fa. Niedieck, Schölvinck & Co. zusammen (Julius und Carl Niedieck sowie Kommerzienrat Ferdinand Niedieck in Münster und Bankier Schölvinck als Kommanditisten). 1867/71 zahlte diese Firma jährlich 72 Taler Gewerbesteuer, während die Fa. Mommers/Niedieck & Cie. für 1861 noch mit 104 Talern veranschlagt worden war. Im Jahre 1871 trat Schölvinck aus. Nun waren Julius und Carl Niedieck unter sich. 1876 wurde der mechanische Betrieb - als erster in Deutschland - auf Stücksamt ausgedehnt.

Das Jahr 1876 wurde für die Firma von entscheidender Bedeutung. Aus dem am 23. November mit dem Webermeister Anton Tappeser geschlossenen Vertrag resultierte die Entwicklung eines vollmechanischen Webstuhls für Doppelsamt, was zu einer Massenproduktion, zur Erweiterung der Betriebsanlagen, zum Aufkauf schwacher Konkurrenzbetriebe, aber auch zu Arbeitslosigkeit, Streiks und Unruhen führte. Die Niediecks engagierten Tappeser und zwei seiner Mitarbeiter - alle drei waren vorher in Viersen für die Konkurrenz (Fa. Kreuels & Better) tätig gewesen - und erwarben den von ihnen entwickelten Modellstuhl für 1500 Taler. Unter Mitarbeit des aus der Schweiz stammenden Technikers Steiger konnte der erste Kraftstuhl schon 1877 in Serie gehen, womit eine Monopolstellung der Firma begründet wurde. Die Leistungsfähigkeit der 1881 bei Link Niedieck laufenden neuen 430 Stühle war 15 mal so hoch wie die der Handwebstühle. Daß sich hieraus eine Anzahl von Problemen ergab wie Umschulung, Betriebserweiterung, Verringerung der Arbeitsplätze, Produktionssteigerungen und Schwierigkeiten bei technisch weniger gut ausgerüsteten Betrieben bedarf keiner weiteren Darlegung. Die Firma Niedieck kaufte folgende Unternehmen: Mommers 1879; Samtweberei Braßeier und Co., um 1875 gegründet, 1885; Stoffweberei Fritz Winnertz, die aus Krefeld nach Lobberich verlegt hatte und hier mit 160 mechanischen Seidenwebstühlen arbeitete, 1889; Jacquard-Samtweberei Jac. Bürhaus & Co./ vor 1890 gegründet, zuletzt bei Arbeitszeitverkürzung nur noch 30 Beschäftigte, 1902; schließlich die ehemalige Samt- und Samtbandfabrik Franz Beckmann in Breyell (auf dem Gelände der heutigen Firma Rötzel) mit etwa 100 Beschäftigten im Jahre 1907. Die Produktion in Breyell zeigte jedoch kein befriedigendes Ergebnis, so daß sie hier bald wieder eingestellt wurde.

Die Lobbericher Konzentration führte zu außerordentlicher Produktionssteigerung vor allem in Baumwollsamt mit großem Englandgeschäft, in Plüsch, in den Färberei- und Ausrüstungszweigen wie in der Stoffabteilung. Während im Jahre 1876 bei und von Niedieck 304 Personen beschäftigt wurden, waren es um 1880 fast 2000; im Jahre 1891 fiel infolge der Automation die Zahl der Arbeiter und Angestellten auf 1560 bei 890 mechanischen Webstühlen, 1900 auf 1500, was allgemein zu großer Not besonders bei den Handwebern führte. Zur Linderung dieser Not kam es zur Bildung eines Fonds, wobei die Fa. Niedieck die stattliche Summe von 20 000 Mark spendete, auch ein Beweis der Finanzkraft dieses Unternehmens. Um 1880 war ihr Feuerversicherungswert 3,9 Mio. Mark. (Zur allgemeinen Lage der Handweber in dieser Zeit vgl. Walter Tillmann in diesem Heimatbuch 1970, S. 105 ff.)

Im Jahre 1882 wurde die große mechanische Bandfabrik an der Süchtelner Straße eröffnet. 1884 folgte die Errichtung der Färberei mit späterem großen Ausbau; seit 1885 färbte man Glanzplüsche im Stück, der erste Fall dieser Art in Deutschland. 1889 wurde die mechanische Seidenweberei und Färberei für glatte Seidenstoffe aufgebaut.

Von 1885 an belieferte die eigene Gasanstalt der Firma über drei Jahrzehnte die Gemeinde mit Gas (Haushalte und Straßenbeleuchtung). 1886/87 gab es aber auch schon erste Klagen über die Verschmutzung des Windmühlenbruchs durch Abwässereinleitung.

Für 1891 wurden u. a. an Betriebseinrichtungen angegeben: Dampfkessel mit zus. 290 PS, mehrere Gasmotoren 70 PS, eigene Gasfabrik, Gasbetrieb, elektrische Anlage, Appretur, Färberei, Druckerei und Schlosserei. Der Umsatz für dieses Jahr wurde mit 5 ½ bis 8 Mio. Mark beziffert, wobei insbesondere der bedeutende Export nach Frankreich und in die USA zu Buche schlug. Nach der Jahrhundertwende traten Umsatzstockungen auf, die Kündigungen größeren Ausmaßes nach sich zogen, was wiederum zu öffentlichen Volksversammlungen, Protesten und zu Streiks führte.

Für die Jahre 1903/05 werden folgende tägliche Durchschnittslöhne angegeben:

Niedieck de Ball
Samt: 3,94 Mark 3,39 Mark
Plüsch: 2,89 Mark
Band: 2,95 Mark 3,22 Mark
Färber: 3,19 Mark
für weibliche Arbeitskräfte 1,90 Mark 1,97 Mark

In dieser Zeit wurde trotz zeitweiser Betriebseinschränkung infolge Kohlenmangels (Bergarbeiterausstand) ein Umsatz von 5 Mio. Mark erzielt. Nach einer Flaute, die zu größerer Arbeitslosigkeit führte/ arbeitete die Samtabteilung ab Juni 1909 sogar mit (freiwilligen) Überstunden, während Samtband zwischen voller und halber Tagesarbeit schwankte, die Seidenstoffabteilung wieder voll beschäftigt war.

Die Firma zahlte in 1908/10 an Löhnen:

 
1908
1909
 
1910
im Juni rd. 92 000 Mark 124 000 Mark
an 5 Lohntagen
Sept. rd. 103 000 Mark
Juli rd. 111 000 Mark
an 5 Lohntagen
103 000 Mark Okt. 100 000 Mark
August 98 000 Mark 101 000 Mark Nov. 113 000 Mark
ein Vierteljahr: 301 000 Mark 328 000 Mark 316 000 Mark

Die Gesamtlohnsumme sank im Vierteljahr 15. Dezember 1910 bis l4. März 1911 auf 255 125 Mark. Im Geschäftsbericht für 1913 führte Carl Niedieck aus, daß seit November das Geschäft wie vollständig abgeschnitten und eine Besserung in den Wintermonaten nicht zu erwarten sei. Bei weiterem Nachlassen oder Versagen der Moderichtung für die Firmenartikel müsse man das Schlimmste erwarten. Der ein Jahr später einsetzende Weltkrieg führte wie überall zu großen Einschränkungen, die in einzelnen Branchen sogar zur Produktionsaufgabe führten. Nach dem Kriege gelang der Aufbau nur langsam. Die für 1925 angegebene Beschäftigtenzahl von 806 fiel im folgenden Jahre auf 409, ein deutlicher Ausdruck der Stockung im gesamten Geschäftsbetrieb. Im Jahre 1924 erfolgte die Vereinigung mit der hier nicht näher zu betrachtenden Girmesgruppe.

Die unternehmerische Tätigkeit der Firmen de Ball und Link Niedieck führte in Lobberich zur Einrichtung von Betrieben gleicher oder ähnlicher Struktur, aber auch anderer Betriebsarten. Es seien hier außer den früher erwähnten genannt:

  1. Die um 1875 auf der Link Bahnstraße gegründete Appreturanstalt Weinsheimer, in die 1880 Jacob Kochen als Teilhaber eintrat. Nach Austritt von Weinsheimer beschäftigte sie als Fa. Aloys Kochen zunächst 50, 1897 nur noch 28 Arbeiter. Sie lief nach dem ersten Weltkriege aus.

  2. Fa. Durst & Krey/ Färberei in Krefeld und in Lobberich - Bleichstraße (1893/ 1895, 1903), 1906 und später Inhaber Josef Krey; 1935 Fa. Krey &. Cleven, Weberei und Veredelungsanstalt GmbH, 1971 Longlife-Teppichwerke Krey & Cleven GmbH und Web- und Veredelungsanstalt auf der Link Niedieckstraße.

  3. Die Webutensilienfabrik Tohang & Co., die einen gleichartigen Betrieb in Krefeld hatte, hier 61 Personen beschäftigte und im Jahre 1900 nach vierjähriger Tätigkeit wieder aufgab.

  4. die Geschäftsbücherfabrik van den Bergh (1874), die am l. Dezember 1878 von der Fa. Halfmann & Kaiser aufgekauft wurde.

  5. die Samtweberei Fa. Weyer &- Lentz, Breyeller Straße, 1908 Kaufmann Wilh. Jos. Nik. Lentz und Fabrikleiter Johannes Weyer, nach dem zweiten Weltkrieg Dr. Johannes Weyer und Hubert Lentz, heute Girmes-Gruppe.

  6. die mechanische Seidenweberei Birgelen & Co., vor 1935, heute Girmes-Gruppe. An eisenverarbeitenden Betrieben entwickelten sich die Eisengießerei Buntenbroich, 1877 aus einer Schlosserei entstanden, Joh. Buntenbroich † 1955; die Eisengießerei Otthoff; Schmiedebetrieb, Maschinenfabrik und Handlung Tilm. Schmetz, Link Süchtelner Straße, 1890/ 1934, 1971 Ingenieur Paul Schmetz, Link Hochstraße und schließlich im alten Betriebsgebäude Link Süchtelner Straße 1935 Fa. Leon. Friedrichs, Maschinenfabrik, 1971 Fa. Vutz & Friedrichs KG, Landmaschinenbetriebe.

Im Bereich Papier und Druck entstand um 1880 die litographische Anstalt Jaeger, Breyeller Straße; 1886 Fabrikant und Kaufmann Carl August Jaeger; 1895/97 als Fa. Jaeger & Barbeer mit 25 Beschäftigten, die aber Ende Oktober 1897 fallierte. Danach Fa. Niederrheinische Kunstdruckerei H. Jaeger mit 33 Beschäftigten. Nach Tod von C. A. Jaeger (1909) erlosch die Firma. - Ebenfalls um 1880 richtete der aus Viersen stammende Buchdrucker Eduard Peters in Lobberich, Marktstraße, eine Buchdruckerei mit Buchhandlung und Verlag (Rhein- und Maaszeitung) ein. Nach seinem Tod (1905) führten die Witwe und der Sohn Paul Peters das Geschäft mit rund 20 Angestellten weiter; es lief schließlich in die Buchhandlung aus.

Der Breyeller Boetzkes legte um 1850 in Lobberich den Grundstein zu einer Lebensmittelgroßhandlung, welche die Söhne Reinhard und Josef, die beide des Notars Döhmer Töchter heirateten, auf der Hochstraße ausbauten. Sie endete später als Kolonialwarenhandlung. - Der Lebensmittel- und sonstige Großhandel wird heute durch einige neue Betriebe (Esch, Diskont-Max, Schätzlein) repräsentiert.

In der Holzbe- und -verarbeitung waren außer der Zimmerei Josten (1813) folgende Betriebe tätig: Fa. Utzenrath, Bauschreinerei und Möbelfabrik (1850), Steegstraße; Fa. Th. Hegholz, Schreinereibetrieb, Süchtelner Straße (1855), später Möbelwerkstätten; Fa. Hermann Bongartz (1877), Link Bahnstraße, Holzhandlung, Sägewerk, dazu später Baumaterialien.

Der durch die Ansiedlung der beiden Großfirmen verursachte Bevölkerungszuwachs förderte die Blüte der Bauunternehmen Feldges (1852), Quirin Jansen (1880), Jac. Tümmers (1874) und der Ringofenziegelei Artur van der Beek (heute Mischbeton).

In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts entstanden die Batterie- und Elementefabrik Max Hegger, jetzt Helo-Neonwerk, und die Kartonagenfabrik Birker. Die Betriebe Hormes und Claßen, Büschgens, Pollen & Lingenberg (Textil), Wefers-Krawatten und die Maschinenfabrik Heyer haben nur kurze Zeit Bestand gehabt.

Zu dem gesamten Aufschwung Lobberichs hat sicherlich auch der im Jahre 1868 erfolgte Ausbau der Link Eisenbahnstrecke Kempen-Kaldenkirchen seinen Teil beigetragen.

Die stets bedauerte einseitige Ausrichtung der Lobbericher Industrie auf Textil erfuhr eine entscheidende Änderung in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts, als sich aus kleinen Anfängen das Lebenswerk des verstorbenen Robert Kahrmann, die Firma Link Rokal, Armaturenfabrik, entwickelte. In den einzelnen Zweigen dieses jüngsten Lobbericher Großbetriebes arbeiten heute bis zu 2 500 Menschen.

Die industrielle Entwicklung hat erhebliche Folgen im Schulwesen, im Krankenhauswesen/ auf dem Gebiet des Wohnens mit sich gebracht. Das um 1860 erbaute Rathaus ist Ausdruck dieser Verstädterung, die 1964 zur Verleihung der Link Stadtrechte durch die Landesregierung führte. Seit dem l. Januar 1970 ist Lobberich in die neue Stadt Nettetal aufgegangen.

Quellen: Gemeindeakten Lobberich im Kreisarchiv Kempen: II 63-67, 140-143, IV 3-7 und Akten im Stadtarchiv Nettetal


Aus: Heimatbuch 1974 des Kreises Kempen-Krefeld, Kempen 1973, S. 193f.

Die Veröffentlichung  an dieser Stelle geschieht mit freundlicher Genehmigung des Kreises Viersen vom 16. September 1999
(Aktenzeichen 41/E 1-47 12 43)

Der Artikel wurde in alter Rechtschreibung belassen


Link Heimatbuchartikel über Lobberich

Link weitere Literatur über Lobberich

Link Geschichte(n) - auch aus anderen Quellen.