Albert Steegers heimatkundliches Lebenswerk

(zu seinem 65. Geburtstag)

Heimatbuch 1951

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Weit mehr, als man gewöhnlich annimmt, stellt der Niederrhein den Wissenschaftlern der verschiedenen Fachrichtungen, wie den Biologen, Historikern und Geologen, lohnende Aufgaben. Freilich liegt auch hier nichts einfach greifbar am Wege, das man mühelos nur zu sammeln braucht, um es gelegentlich dem "staunenden" Mitbürger darzubieten. Erfolg hat immer nur der Tüchtige, der durch unablässigen Fleiß, zähe Ausdauer und feines Einfühlen Schritt für Schritt dem gesteckten Ziele zustrebt. Gar zu oft wird übersehen, daß fast jeder Forscher auch beruflich tätig ist und seinen besonderen Neigungen nicht nur seine gesamte Freizeit widmet, die andere benutzen, um sich zu erholen und zu zerstreuen, sondern darüber hinaus nicht geringe geldliche Opfer bringt, für die er selten entschädigt wird. Kein ernsthafter Wissenschaftler wartet auf äußere Ehrungen, vielmehr ist ihm die gelungene eigene Arbeit Lohn und Anerkennung genug. Wenn aber einer der Namhaftesten sein 65. Lebensjahr vollendet und als Beamter die amtliche Schaffensgrenze erreicht, dann geziemt es sich, seiner mit einigen Worten zu gedenken. Sie gelten Dr. Dr. h.c. Albert Steeger, dessen grundlegende Forschungen im niederrheinischen Raum bekannt sind.

Bereits als junger Lehrer begann Albert Steeger seine wissenschaftlichen Forschungen. Funde von Versteinerungen, die die neu angelegten Zechen bei Moers zutage förderten, veranlaßten ihn zu umfangreichen Untersuchungen der erdgeschichtlichen Vorgänge in der engeren Heimat. Das Ergebnis waren seine Veröffentlichungen über den Aufbau und die Entstehung des Hülser Berges, die Terrassenbildung im nördlichen niederrheinischen Tiefland, über geologische Naturdenkmäler am linken Niederrhein und Gesteinsgruppen auf dem Hülser Berg. Diese Arbeiten bildeten die Grundlage, auf der Steegers spätere Forschungen erwuchsen.

Zur Erlangung der Doktorwürde legte Steeger der Universität Köln die Arbeit vor: "Das glaziale Diluvium des niederrheinischen Tieflandes", in der er, wie in seinen älteren Veröffentlichungen, unter Hinweis auf zahlreiche wichtige Einzelbeobachtungen die Einwirkung der Eiszeit auf die örtlichen Terrassen hervorhob. Das liebgewonnene Forschungsgebiet ermunterte Dr. Steeger auch in den nächsten Jahren ständig zu neuen Untersuchungen und Überlegungen. Manche Erkenntnisse, die heute der Wissenschaft über die Eiszeit am Niederrhein und ihre eigentümliche Terrassenbildung geläufig sind, wurden von ihm, dem Unermüdlichen, erstmalig gewonnen und nachgewiesen. Aus der Fülle seiner, zumeist in schneller Folge herausgegebenen Veröffentlichungen seien hier nur die Arbeiten über das Nettetal und den "Viersener Horst", landläufig als "Süchtelner Höhen" bekannt, sowie über den geologischen Aufbau der Tönisberger Höhen erwähnt.

Mittlerweile hatte Dr. Steeger sich mit gleich großem Eifer vor- und frühgeschichtlichen Forschungen zugewandt. Kaum einer ist hierbei so wie er vorn "Glück" begünstigt worden. Wo er den Spaten ansetzte, entriß er dem Boden ein Geheimnis nach dem anderen, so daß er buchstäblich ein Schatzgräber wurde, der das heimatliche Geschichtswissen beträchtlich vermehrt hat. Einzigartig war namentlich im Jahre 1926 der Fund eines Depots jungsteinzeitlicher Werkzeuge bei Lobberich (vgl. Heimatbuch 1950, S. 42). Hervorragende Entdeckungen waren ferner das Auffinden einer mittelsteinzeitlichen Jägerstation am Brühl bei St. Hubert-Vösch, die Kunde von den ersten Siedlern am Niederrhein gab, die Feststellung eines frühgermanischen Wohnplatzes in Vorst und eines fränkischen Grabfeldes mit Waffen und Gefäßbeigaben bei Mülhausen, nicht minder die weitreichenden Funde aus der Zeit der Völkerwanderung bei Gellep und Stratum, die das Dunkel der westdeutschen Siedlungsgeschichte des 4, und 5. Jahrhunderts mehr, als anfänglich erwartet, aufhellten. Neben diesen vorgeschichtlichen Felduntersuchungen beschäftigte Dr. Steeger sich mit Siedlungsfragen des Früh- und Hochmittelalters, die er schließlich nach der kunstgeschichtlichen Seite hin abrundete. Durch seine Bauernhausforschungen in der Umgegend von Kempen und Krefeld lieferte er den wichtigen Nachweis, daß die dortigen Fachwerkbauten nicht Einzelgepräge, sondern Überbleibsel eines ausgedehnten Kulturkreises sind. Im engen Zusammenhang damit stehen seine Untersuchungen über Vorkommen und Bauart der ländlichen Bergfriede und Spiker, wie im Raveshof bei St. Hubert (vgl. die Abbildung).
Das Nächstliegende waren sodann Ausgrabungen niederrheinischer Burgorte, so in Born bei Brüggen, und Steegers Forschungen zur Baugeschichte der Landesfeste Linn, bei der er die für die Entwicklung der Burgen bedeutsamen Stufen aufzeigte, die Linn von einer Ringmaueranlage bis zur stolzen Hochburg zurücklegte. Den Kempenern schenkte er durch eine Ausgrabung zur 750-Jahrfeier der Pfarrkirche den Grundriß der romanischen Anlage von 1200.

Ein Meisterwerk der Feinuntersuchungen Dr. Steegers sind die von ihm in Verbindung mit Dr. Dr. Felix Rütten aus Kempen betriebenen Forschungen zur Siedlungsgeschichte des Amtes Kempen. Hierbei glückte der Nachweis des allmählichen Vordringens der mittelalterlichen Besiedlung von den sandigen Rändern der Terrassen zu ihren lehmigen lnnenflächen; für die Entstehung der Grenze zwischen Dorf und Einzelsiedlung am Niederrhein ergaben sich allgemeine Erkenntnisse, die seit 100 Jahren umstritten waren. Es würde zu weit führen, wollte man von dem, was Dr. Steeger geschaffen hat, mehr als Bruchteile nennen.

Von den jüngeren Veröffentlichungen Dr. Steegers möge nur noch die Arbeit über den Meister Hubert von Hinsbeck, einen kunstfertigen Maler des ausgehenden Mittelalters, vermerkt werden. 1937 wurde Steeger korrespondierendes Mitglied des Archäologischen Instituts zu Frankfurt am Main, und seit 1940 führt ihn auch die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde als Mitglied. Eine hervorragende Ehrung aber wurde ihm am 18. Oktober 1943 durch die Universität in Bonn zuteil, die ihm in uneingesehränkter Anerkennung seiner wissenschaftlichen und heimatkundlichen Verdienste die Würde und Rechte eines Ehrendoktors verlieh.

Es liegt in der Natur der Sache, wenn Dr. Albert Steeger fortlaufend die Ergebnisse seiner Forschungen der Öffentlichkeit unterbreitet, doch ist die Art, wie er es tut, nicht alltäglich. Häufig ist die Sprache der Wissenschaftler für den abseits stehenden Laien schwer verständlich, wenn nicht gar rätselhaft. Anders bei Dr. Steeger. Was er bietet, ist anschaulich, klar und eindringlich. Dadurch wird das Lesen seiner Schriften zu einem angenehmen Erlebnis, und seine Vorträge und Führungen sind ein Genuß, was nicht zuletzt die Volkshochschule des Kreises Kernpen-Krefeld zu schätzen weiß. Dr. Steeger verdeutlicht gerne das Wort durch Bild und Zeichnung.

Wenn Dr. Steeger, der seit einigen Jahren wieder in Kempen wohnt, nachdem in Krefeld sein Hab und Gut durch Fliegerbomben vernichtet wurde, nunmehr in der Mitte des siebenten Lebensjahrzehntes steht, so bedeutet dies keineswegs, daß seine Schaffensfreude ihren Höhepunkt erreicht hat. Es ist sein unbestreitbares Verdienst, daß er erheblich dazu beigetragen hat, die Vergangenheit des linken Niederrheins und dessen Bedeutung für die deutsche Volkwerdung, ehedem oftmals verkannt, sichtbar zu machen und auszuwerten. Noch lange nicht ist alles ausgesehöpft, und was die wissenschaftliche Landeskunde künftig auch erstreben mag, sie wird auf die führende Mitarbeit Dr. Steegers nicht verzichten können und wollen.

Jos. Deilmann


Quelle: Heimatbuch 1951 des Kreises Kempen-Krefeld, Kempen 1950, S. 90f.
Die Veröffentlichung  an dieser Stelle geschieht mit freundlicher Genehmigung des Kreises Viersen vom 16. September 1999
(Aktenzeichen 41/E 1-47 12 43)


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