Geschichte des Kirchenchores St. Sebastian Lobberich 1841-1941

„Männer-Gesang- Verein zu Lobberich”

Buch S. 11

Örtliche und überörtliche Voraussetzungen für die Gründung eines Gesangvereins und die Enstehung des „Männer-Gesang-Verein zu Lobberich”

Der Chorgesang in der Pfarre St. Sebastian hat nachweislich eine mehr als hundertfünfzigjährige Tradition, denn schon für das Jahr 1828 bescheinigt der Wirt Jacob Wittlings: „Die für das Jahr 1828 bei den jährlichen Hagelfeiern und Fronleichnams- Prozessionen Statt gehabten Verzehrungen und Auslagen für die Geistlichkeit, Chorsängerinnen, Himmel und Muttergottesträger ad sieben Thaler achtzehn Silbergroschen fünf Pfennigh" vom Kirchenrendanten Wynen richtig erhalten zu haben. Im Jahre 1836 wurden „ 13 Knaben und 10 Mädchen" für ihren Chorgesang belohnt . ( 1)
Man darf vermuten, daß Lehrer Johann Baptist Reiner Orths der bis zum 1. 12. 1841 einziger Lehrer am Ort war und bis zu diesem Zeitpunkt auch Kantorendienst in der Pfarre versah, zunächst eine kleine Mädchengruppe musikalisch betreute und dann auch Jungen für die Arbeit heranzog. Über die vorgetragenen Gesänge ist leider nichts bekannt. (2). Die Chorgemeinschaft bestand mit Sicherheit bis 1837.

4 Jahre später entstand der „Männergesang-Verein zu Lobberich". Über den Gründungsvorgang berichtet Dr. Helwig Kessels: , Es war am Martinsabend 1841, als Lehrer Eduard Istas einige sangesfreudige Männer zu einer Versammlung in der alten Schule an der Schulstraße eingeladen hatte ... ". Istas legte ... , die Notwendigkeit, Nützlichkeit und Annehmlichkeit eines Gesangvereins in Lobberich in kurzen, klaren Worten au einander. Die meisten Anwesenden - es waren zwanzig - waren von dem Vorschlag begeistert, und noch am selben Abend kam der Verein zustande .... Die Namen der Männer, die den Männergesangverein gegründet und ihm lange Jahre hindurch die Treue gehalten haben, sind: Eduard Istas als Dirigent, Wilhelm Abels, Theodor Deutges, Wilhelm Feldges, Friedrich Feldges, Jacob Heythausen, Peter Johann Huenges, Dr. Helwig Kessels, Peter Kauertz, Jacob Michels, Johann Michels, Mathias Michel , Paul Reiners, Martin Schuren; A. Thelen."

Daß der Verein nicht am 11. November dem Namenstag des Martin von Tours, sondern fast eine Woche später, am 17. November 1841, einen Geburt tag hatte, ist eindeutig belegt. (3)
Als Eduard Istas zur Gründungsversammlung einlud, war er 21 Jahre alt und hatte gerade seine vorbereitenden Studien für den Lehrerberuf in Brühl abgeschlossen. Obschon er als Sohn des Wundarztes Alexander Lambert Istas in Lobberich, wo er am 11. Januar 1820 das Licht der Welt erblickt hatte, der gesellschaftlich führenden Schicht angehörte und de halb bei seiner Initiative mit einer gewissen Resonanz rechnen konnte, war der Schritt des noch nicht bestallten Kandidaten des Lehramtes so ungewöhnlich, daß er einlädt, über die Situation des Chorgesanges im allgemeinen und die örtliche im besonderen kurz zu berichten:
Den Männergesangverein als Ausdrucksform , privaten bürgerlichen Lebensgenusses gab es am Niederrhein schon vor 1840. Ein Beispiel hierfür ist der Männergesangverein „Liedertafel Krefeld". Zu Beginn des fünften Jahrzehnts entstanden neue Chöre aus dem Geiste der Romantik. Nicht zufällig dürfte der Weiterbau des Kölner Domes mit der Gründung des Kölner Männergesangvereins im Jahre 1842 zusammengefallen sein.

Mit Gewißheit gehörte der Männergesangverein zu Lobberich zu den ersten Chören am Niederrhein die neben der Pflege und Aufführung weltlichen Liedgutes regelmäßig liturgischen Dienst beim feierlichen Gottesdienst versahen. (4)

Lobberich zählte 1840 etwas mehr als 2500 Einwohner die fast alle katholisch waren.

An der Spitze der Pfarre stand Pastor Bernardus Kempen, der im Jahre 1841 vom Orgelbauer Müller aus Reifferscheid den Plan für eine neue Orgel erstellen ließ. Noch ehe das Vorhaben verwirklicht werden konnte, starb der Pastor am 24. Dezember 1841.

Eduard Istas
Eduard Istas * 11. Januar 1820 - + 11. Juni 1897
Dirigent des Chores 1841-1897
Sein Nachfolger Peter Heinrich Krins, Pastor von 1842 bis 1867 ließ die 1710 eingebaute Orgel erneuern und am 2. Februar 1843 bestätigte Eduard Istas dem Kirchenrendanten: Für Gesang Unterricht der Schulkinder, beim Gesangverein, Orgelbegleitung sind mir aus der hiesigen Kirchenkasse zwei Malter Roggen verabreicht worden." (5). Die Pfarre St. Sebastian übertrug also dem neuen Lehrer unmittelbar nach dem Ausscheiden seines Vorgängers Dienste, die dieser wenigstens teilweise nicht wahrgenommen hatte denn Lehrer Orths hatte offensichtlich nur Zuwendungen aus der Kirchenkasse für seine Kantorentätigkeit (2. Vorsänger) erhalten, während Istas nicht nur Gesangsübungen mit Schulkindern, sondern auch mit dem neugegründeten Männer-Gesang-Verein durchführte und darüberhinaus den etatmäßigen Organisten der Gemeinde, Johann Mathias Cremer, durch Orgelspiel an Sonn- und Feiertagen entlastete. (6)

Man kann also mit Recht feststellen, daß der 21jährige Istas eine günstige Gelegenheit nutzte, als er am 17. November 1841 gemeinsam mit 13 Bürgern Lobberichs den Verein aus der Taufe hob.
Die Mitglieder, alle katholisch, waren selbständige Schreiner und Bauunternehmer, selbständige Färber, Bierbrauer, Gastwirt, Student der Rechte, Commis bei der Firma Niedieck und Cantor der Pfarre. Sie verstanden sich als eine „geschlossene Gesellschaft", von der Bürgermeister Kessels drei Jahre nach der bürgerlichen Revolution von 1848 dem Landrat in Kempen mitteilte, „daß sie weder politischen noch demokratischen Tendenzen zugethan sei." (7)


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