Eisernes Buch
der Gemeinde Lobberich (1929)

- Volkskundliches. -

Buch S. 137

eisernes Kreuz

Die Gemeinde Lobberich erfasste den vollen Ernst der Kriegslage. Der sonst so rege Vergnügungsin ihrer Bürger wurde durch den Mobilmachungsbefehl plötzlich gelähmt. An seiner Stelle trat der Ernst tief von Mitleids, großer Sorgen und opferwillige Strebens für das Vaterlands Wohl. Es hörten in Lobberich sofort alle Tanzluftbarkeiten, Theater- und Kino Vorstellungen auf. Kirmesfeiern fanden während des Krieges nicht statt, und ebenso wurde dem Fastnachtstrubel vollkommen entsagt. Sogar die Kinder verzichteten auf das Martinsfest. Eingedenk der Leiden und Nöten des Krieges legten sie ihre Freunden auf den Opferaltar des Vaterlandes.

Mit diesem tiefen Ernst der Lobbericher Bürger aber war gleichzeitig in ihren Seelen ein starker Hass gegen alle Fremdwörter gezeugt worden, der sich besonders in sofortige Abschaffung aller französischen Wörter und Redensarten aus ihrer Bürgersprache Luft machte. Der Abschiedsgruß „Adieu“ musste dem deutschen „Auf Wiedersehen“ weichen. Das Wort „Hotel“ schwand über Nacht, der „Gasthof“ kam wieder zu seinem Recht, „Restaurant“ wurde durch „Gastwirtschaft“ ersetzt. Ebenso wurden die Bezeichnungen „Diner“, „Souper“, „Matinee“, „Trottoir“, „Perron“ usw. durch „Mittagessen“, „Abendessen“, „Morgenunterhaltung“, „Bürgersteig“, „Bahnsteig“ ersetzt.

Man musste staunen, mit welchem Nachdruck diese Sprachsteuerung durchgeführt wurde. Es war, als hätte ein Blitzschlag die Fremdwörter alle zugleich zerschmettert, um sie nie wieder aufleben zu lassen. Der Hass gegen Deutschlands Feinde, der durch die Kriegserklärung in der deutschen Volksseele ausgelöst wurde, rief in dieser eine gewaltige Begeisterung für des Vaterlandes Recht, Ehre und Rettung wach. sie wurde bereits gelegentlich der Schilderung der Kriegserklärung und der Mobilmachung hervorgehoben. Wie hoch ihre Wogen auch in der Gemeinde Lobberich gingen, mögen hier nochmals einige Gedichte bekunden, die flammende Begeisterung und große Vaterlandsliebe Lobbericher Bürger verlassen ließ.


„Wenn Michel drischt.“
„Wenn das noch lang‘ so weiter geht,
Dann bleibt es außer Zweifel:
Uns geht am End‘ das Feuer aus!
Sprach traurig der Herr Teufel.
Das Stroh vom Balkan ist fast hin,
Der Vorrat unseres Heues.
Bringt mit einmal die Zeitung her!
Ob‘s wieder gibt was Neues.

Und laut las bald Herr Luzifer
Die letzte der Depeschen;
Der deutsche Michel hat gesagt:
Jetzt wollen wir sie dreschen!

Da sprangen alle Teufel hoch
Vor lauter Lust und Freude.
Selbst Luzifer und seine Frau
Sie tanzten mit allebeide.

Aus Serbien und Russland kam
Noch eh‘ ein Mond verlaufen,
Aus Frankreich, Belgien, Engelland,
Das Stroh nun an in Haufen.

Der Teufel freut sich des und spricht
Mit wichtigen Kennermienen:
Ja, wenn der Michel dreschen geht,
Dann drischt er mit Maschinen.“

Lobberich, den 5. September 1914. 
Arnold Frank.


Tsingtau.
Schwarz-weiß-rot weht eine Flagge
Heimatfern am Meeresstrande,
Eine kleine Schar Betreuer
Kämpft hier sterbend, heiß und teuer.
Und das Blut zerfließt im Sande.

Tsingtau, Abbild deutschen Geistes,
Letztmals lass die Flagge wehen.
Wie wir auch um dich gerungen:
Deine Räuber sind gedungen,
Tsingtau, du musst untergehen.

Doch dein Morgen wird noch dämmern
Eh‘ die Friedensglocken klingen.
Und dich Deutschlands Aar umkreisen,
Jenen Räubern kühn entreißen,
Tsingtau, dir Befreiung bringen.

Lobberich, den 14. November 1914.
Arnold Frank.


Hindenburglied.
Habt ihr die Siegeskunde von Osten schon gehört,
Allwo den Russen wieder mal Mores ward gelehrt!
Von Hindenburg dort schaltet als Meistergeneral,
Ihm gelte dieses Liedchen und seinen Tapferen all.
Ein deutsches Hurra! Unfern Helden Hindenburg!
Mit seinen braven Grauen schlägt er uns sicher durch.

Als fielen jüngst die Russen in Preußen tief herein,
Und hausten wie die Bären, betrugen sich nicht fein,
Da ließ der Held sie kommen, vor die Masur´schen See´n
Und ruft zu seinem Grauen: Marsch, marsch, es kann losgeh´n!
Ein deutsches Hurra! Ei, wer hätte das gedacht?
Es waren neunzigtausend Gefangene gemacht.

In Eil´marschiert nach Russland er bis vor Warschau´s Tür;
Da plötzlich rennt in Haufen des Zaren Heer herfür.
Als sie ihn wollten schlagen, lacht Hindenburg sie aus:
Daraus wird wohl nichts werden; gib acht, Herr Nikolaus!
Ein deutsches Hurra! Und er macht ihm etwas Luft,
Denn dreißigtausend hat er dem Zaren abgeknufft.

Dann zog er sich zurück, das Schlachtfeld passt ihm nicht,
Und mancher, der zu Hause, zieht ängstlich das Gesicht.
Doch schon bei Kaiser Wilhelm kommt die Depesche an:
„Majestät! – Kann wieder dienen mit vierzigtausend Mann.“
Ein deutsches Hurra! Ja, das war ein guter Fang,
Drum seid um unsere Sache, im Osten nicht mehr bang.

Ruhm sei dem kühnen Helden und seinem braven Heer!
Sie werden ihn schon zwingen, den zott´gen Russenbär.
Es soll für alle Zeiten in der Geschichte stehn`
Bei unseren späten Enkeln von Mund zu Mund noch gehen:
Ein deutsches Hurra! Lasset klingen kraftvoll durch,
Dem Meistergeneral, unserem Helden Hindenburg.

Lobberich, den 28. November 1914
Arnold Frank.


Wir halten aus!
Wir halten aus, o, glaubt es uns,
Und dauert es auch langem
Besiegt wird erst die ganze Schar,
Ach, seid darum nicht bange.

Steht auch der Feine Überzahl
Uns überall entgegen,
Wir schlagen ich
In Feld und Wald, in Wiesen und auf Wegen.

Wie Brüder kämpfen einig wir,
Im Westen und im Osten.
Mit Freuden tun wir unsere Pflicht,
Sollt´s uns das Leben kosten.

Wenn wir auch fern der Heimat sind
An diesen Feiertagen,
Gedacht habt ihr recht gut an uns
Viel Dank für eure Gaben.

Und kehren wir als Sieger heim,
Dem großen Gott wir danken,
Dann steht ein deutsches Volk wie nie,
Keine Macht bringt es zum Wanken.

Drum haltet mit uns aus daheim,
Wenn´s dauert auch noch lange,
Besiegt wird erst die ganze Schar,
Ach, seid darum nicht bange.

Im Felde Januar 1915.
Alex Schmitz, Lobberich, Markt.
Z.Zt. b. Mametz, Nord- Frankreich.


Wir daheim.
Dort draußen vor´m Feinde, bei Tag und bei Nacht,
Hält wacker und mutig der Krieger die Wacht;
Er trägt Entbehrung, Kälte, Hunger und Not,
Er schauet ins Auge dem finsteren Tod.
Gedenkt seiner Lieben, die er ließ zu Haus,
Da quillt aus dem Auge die Träne heraus.

Ach, könnt´ ich jetzt weilen im heimischen Kreis,
So regt´s sich im Innern und pocht es ganz leis,
Und bittend nach oben er wendet den Blick,
„Du Herrgott dort droben lenk du mein Geschick;
Will tapfer ja schützen den friedlichen Herd,
Weill zeigen als Kämpfer den Meinigen wert“.

So ist unser Krieger, so schützt er sein Heim,
Doch trauriger sieht´s aus bei uns jetzt daheim.
Hört murren und klagen, bemängelt die Tat;
Was sorgsam beschlossen der Bundesrat hat;
„Das Brot wir soll´n sparen, wir halten soll´n aus,
Bis die Feinde geschlagen, die Ernte heraus!“

Man will nicht sparen, nicht schränken sich ein,
Möcht´ führen ein Leben, wie im Frieden so fein.
Doch wie wär´s, wenn sie würden die Feinde hier schau´n
Vernichtens und sengend die lieblichen Au´n?
Drum danket dem Herrgott und saget von Glück,
Dass der tapf´re Krieger den Fein hält zurück.

Drum lebet jetzt mäßig von dem was ihr habt,
Der Krieger im Felde an Brot oft sich labt,
Dass sagen er kann, wenn er kehret nach Haus:
„Auch die Meinen daheim, sie hielten mit aus,
Sie brachten ihr Opfer und halfen treu mit,
Dass besieget der Russe, Franzose und Brit!“

Lobberich, den 13. Februar 1915.
Heinrich B.


Durchhalten.
So ruft auch uns das Vaterland zur Opferstunde,
Die uns daheim des Krieges Schrecken noch verschonten,
Durchhalten gilt´s! Zu brechen mit dem Langgewohnten!
Durchhalten bis zur letzten, großen Siegesstunde!-

Ein unbesiegbarer Heer steht draußen vor dem Marken
Daran der Feinde Haufen all´ vergebens pochten,
Und das mitnichten zu bezwingen sie vermochten.
Nun sehen Tag um Tag sie es nicht mehr erstarken.

Da gilt uns Waffenlosen jetzt der Feine Fehde.
Der Hunger und die wehe Not der Frau´n und Schwachen
Soll uns´re Brüder draußen kampfesmüde machen…
-Zuschanden werde der Barbaren Tücken jede!

Verpönt sei fürder alles frevle Brotvergeuden,
Dass uns die Zeit vergess´nen Überflusses lehrte!
Die letzte Krume halten heilig wir im Werte,
Und eine Waffe soll das goldne Korn bedeuten!

Wenn heim dann kommen, die so treu für uns gestritten,
Dann wird auch uns ein Zweig aus ihrem Eichenkranze,
-und war´s auch nicht in kriegerischem Waffenglanze:-
Wir haben mitgekämpft, gedarbt und mitgelitten.

Lobberich, den 6. März 1915.
Arnold Frank.


Im Anschlusse hieran wollen wir unseren Heimatdichter Johannes Meyes (Hans von der Niers) zu Wort kommen lassen, der durch seinen ständigen Humor auch in der Not der Zeit zur Aufheiterung beitrug.

Marschliedchen für die Laubsammler.
Frisch auf zum grünen Walde
Im Sonnenschein!
Alldort in duft´ger Halde
Zu sammeln ein:
Laub für´s tapf´re Militär,
Das uns schützt mit kräft´ger Wehr
Vor den bösen Feinden ringsumher.

Herbei mit Säck und Wagen
Ihr Kinderlein!
Auch ihr in schweren Tagen
Sollt Helfer sein!
Hurtig, seid drum all´ zur Hand
Füllt die Säcke bis zum Rand,
Für das schöne deutsche Vaterland!

Uns kehrt ihr heimwärts wieder
Ins Elternhaus,
Dann finget munt´re Lieder:
Trotz Sturmgebraus:
Schirme Gott dich deutsches Heer,
Siegesgekrönt zu Land und Meer,
Als des lieben Kaisers Zier und Ehr´!

Hans von der Niers.


Das neue Holzschuhliedchen.
Was trippelt und trappelt so luftig klipp, klapp klipp, klapp!
Die Straßen und Gassen herauf und hinab? Klipp, Klapp!
Da ist ja „Jung- Deutschland!“ – im sonnigen Schein,
Ei, wie sich die Kleinen beim „Klappern“ doch freu´n .
Klipp! Klapp! Klipp! Klapp!

Die Buben und Mädels – das lob´ ich mir sehr!-
Woll´n tragen die glänzenden Schühchen nicht mehr,
Marschier´n nun auf „Klömkes“ als ging´s um die Wett´,
Besonders die Mädels, so schick und so nett.

Mag man auch drum machen ein schiefes Gesicht
Und höhnisch bemerken: „Das schickt sich doch nicht!“
Begeistert, ihr Lieben, nicht achtet darauf
Und trippelt nur weiter in fröhlichem Lauf.

Wer möchte nicht helfen in tiefernster Zeit
Dem Vaterland, ringsum von Feinden bedräut?
Das müsste fürwahr doch kein Deutscher mehr sein,
Doch das sind wie alle, ob groß oder klein.

Ob England drum spöttisch ins Weltall auch blies:
„Die Deutschen, die haben nichts mehr an den Füß´“
Was schert Englands Trug uns und Lügen zugleich,
Wir stehen getreulich zu Kaiser und Reich!

Lobberich.
J. Meyes.

Zum Schlusse sei noch erwähnt ein als Kriegshumor in der „Rhein und Maas“ vom 29. September 1917 erschienenes

Zeitgemäßes Küchenrezept.

Man schlägt die Eierkarte, legt die Butterkarte an mäßiges Kohlenkartenfeuer bis sie braun wird und darin schmort man die Fleischkarte. Die Kartoffel- und Gemüsekarten werden gekocht und dazu gereicht.

Als Nachmahl kann man eventuell noch vorhandene Kartoffelkarten heiß abbrühen, fügt die Milchkarte hinzu, süßt das Ganze entsprechend mit der Zuckerkarte und legt endlich die Brotkarte hinein. Nachher wäscht man sich mit der Seifenkarte die Hände und trocknet diese mit dem Bezugsschein ab.


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