Eisernes Buch
der Gemeinde Lobberich (1929)

- Erwerbslosenfürsorge der Gemeinde während des Krieges -

Buch S. 60ff

eisernes Kreuz

Durch die Mobilmachung wurden der Industrie und dem Handwerk mit einem Schlage Millionen von Arbeitskräften entzogen und über Nacht war Deutschland von den überseeischen Gebieten, ja sogar von dem größten Teile des Weltmeeres, abgesperrt. Aus einem Lande, das seine stärksten Kräfte aus dem Warenaustausch mit fremden Völkern gezogen hatte, wurde ein in sich abgeschlossener Staat, eine riesige Festung, die nach dem Plane unseres gefährlichsten Feindes, von England, ausgehungert werden sollte. Dazu kam für die Gemeinde Lobberich das Gespenst der Arbeitslosigkeit, weil die hier vorherrschende Textilindustrie neben dem großen Inlandsabsatz hauptsächlich auf das uns feindlich gesinnte Ausland (England, Vereinigte Staaten, Frankreich usw.) angewiesen war. In der Tat trat auch schon in der hiesigen Samtindustrie während der ersten Monate des Krieges, wenn auch keine Arbeitslosigkeit, so doch eine stark eingeschränkte Produktion ein. Mehrere Tage in der Woche ruhten die Betriebe und mehrere Hundert Arbeiter mußten feiern. Hier griff nun gleich die Fürsorge der Gemeinde ein; sie beschäftigte eine größere Anzahl arbeitsloser Leute mit Wegebauten usw., sie richtete einen Arbeitsnachweis ein und gewährte den Erwerbslosen eine Beihilfe. Nachstehende Bekanntmachung möge ein Bild von der großen Fürsorge Lobberichs für die Erwerbslosen geben:


Arbeitsnachweis.

Auf die Anregung mehrerer Bürger hin, sind wir bereit, einen Arbeitsnachweis in unserer Geschäftsstelle einzurichten. Es möge sich jeder, der eine Beschäftigung sucht, insbesondere alle diejenigen, die den Landwirten bei der Ernte behilflich sein wollen, melden. Auch wollen alle Arbeitgeber und Landwirte, die Arbeiter einstellen können, uns sofort Nachricht geben.

Lobberich, den 5. August 1914.

Geschäftsstelle der Zeitung "Rhein und Maas".


Arbeitsnachweis.

Wir weisen darauf hin, daß sich in unserer Geschäftsstelle bereits eine Reihe Arbeiter jeden Alters gemeldet haben, die bereit sind, Aushülfe, besonders auch Erntearbeiten zu verrichten. An alle Arbeiter und besonders auch an die jungen Leute ergeht die Bitte, sich weiter zahlreich zu melden. Die Landwirte und Arbeitgeber, die irgendwie Aushilfe benötigen, ersuchen wir höflichst, sich bei uns zu melden bezw. um Einsichtnahme der Liste der Arbeitssuchenden.

Lobberich, den 8. August 1914.

Geschäftsstelle der Zeitung "Rhein und Maas".


Bekanntmachung.

Um Beschäftigungslosen Arbeit zu verschaffen und den hier und da namentlich in der Landwirtschaft aufgetretenen Mangel an Arbeitskräften zu beseitigen, ist für die Gemeinde Lobberich ein Arbeitsnachweis eingerichtet worden.

Der Einrichtung steht Herr Beigeordneter Boetzkes vor, während Herr Bürovorsteher Brocher die schriftlichen Arbeiten übernommen hat. Der Arbeitsnachweis wird zunächst die Nachfrage nach und das Angebot von Arbeitskräften innerhalb der Gemeinde Lobberich ausgleichen. Allwöchentlich wird er dem in Kempen bestehenden Kreisarbeitsnachweismitteilen, was an offenen Stellen und was an Arbeitskräften gemeldet ist und so einen Ausgleich innerhalb des Kreises schaffen. Endlich haben sich mehrere Kreise zu einem Verband zusammengetan, um so den Überschuß an Angebot und Nachfrage innerhalb des Verbandes auszugleichen.

Die Gecshäftsstelle des Arbeitsnachweises befindet sich auf Zimmer Nr. 4 des Rathauses. Sie ist während der üblichen Bürostunden geöffnet.

Es wird dringend gebeten, von dieser Einrichtung den weitesgehendsten Gebrauch zu machen.

Lobberich, den 12. August 1914.

Der Bürgermeister.


Bekanntmachung.

Im Interesse der vielen notleidenden Familien der Gemeinde bitte ich alle diejenigen, die Arbeit zu vergeben haben, recht dringend, den auf Zimmer Nr. 4 des Rathauses bestehenden Arbeitsnachweis in Anspruch zu nehmen.

Lobberich, den 21. August 1914.

Der Bürgermeister.


Auskunfterteilung an Handwerker

Die neuen sogenannten Kriegsgesetze über den Zahlungsaufschub, die Wechselfristen und die Aussicht zur Verhütung von Konkursen, sind den Handwerkern meistens unbekannt. Viele wissen sich garnicht zu helfen, besonders im Verkehr mit ihren Gläubigern. Es wird deshalb hiermit darauf hingewiesen, daß die Auskunftstelle der Handwerkskammer in Düsseldorf über alle wirtschaftlichen, geschäftlichen und rechtlichen Fragen kostenfrei und zwar schriftlich und mündlich den Handwerkern Auskunft erteilt.

Lobberich, den 25. August 1914.

Der Bürgermeister.


Stellennachweis.

Den Handwerkern, die zu Ostern 1915 Lehrlinge einzustellen beabsichtigen, wird anheimgegeben, dem Bürgermeisteramt zwecks Ausstellung einer Stellenliste, die den Schulen hierselbst und in der Umgegend übermittelt wird, bis zum 8. Januar 1915 entsprechende Mitteilung zu machen.

Lobberich, den 23. Dezember 1914.

Der Bürgermeister.


Am 29. August 1914 fand die erste Auszahlung der Beihülfen von der Gemeinde für Arbeitslose auf der Gemeindekasse statt.

An die Lobbericher Bürgerschaft wandte sich neuerdings in einem warmherzigen Aufruf Herr Bürgermeister Felder. Es wies indemselben auf die große Zahl der Beschäftigungslosen in Lobberich hin, von denen trotz der Notstandsarbeiten, die die Gemeinde verrichten lasse, im Verhältnis nur ein kleiner Teil beschäftigt werden könne.

An die Familien, die durch den Krieg in Not geraten seien, zahle die Gemeinde Beihülfen. Es sei zu verstehen, daß es vielen Notleidenden widerstrebe, ihren Unterhalt aus Gemeindemitteln zu bestreiten und daß sie lieber zu den schwersten Arbeiten bereit seien, als Gemeindebeihülfe in Anspruch zu nehmen. In anerkennenden Worten wurde das Verhalten der hiesigen Fabrikbesitzer hervorgehoben, die ihre Betriebe, soweit als möglich, aufrecht erhielten. Aber eine wirksame Linderung der Not sei nur dann möglich, wenn alle Bürger der Gemeinde, die in guten Verhältnissen leben, mithelfen würden durch Vergebung von Arbeiten an die Handwerker, durch Beschäftigung der Fabrikarbeiter in Gärten, Feld und Wald. Hierbei dürfe nicht ängstlich die Frage geprüft werden, ob die Arbeiten noch hinausgeschoben oder ob sie nicht bei größerer Anspannung der Arbeitskraft der eigenen Leute verrichtet werden könnten. Nur einzig und allein dürften sich die Besitzenden von der Ueberzeugung leiten lassen, daß sie in dieser überaus ernsten Zeit mehr als je die Pflicht hätten, sich der Armen anzunehmen.

Im September 1914 beschloß der Gemeinderat auf Antrag der Betriebskrankenkassen der Firmen Niedieck & Co. und I. L. de Ball & Co. zur Aufrechterhaltung der Krankenversicherung die Beiträge aller Krankenkassen=Mitglieder, die in Lobberich ihren Wohnsitz haben, falls sie Kriegsteilnehmer oder eine Woche hindurch oder länger arbeitslos waren, zur Hälfte und, soweit notwendig, zu zwei Drittel zu übernehmen. Die beiden hiesigen Großfirmen erklärten sich bereit, ihrerseits die Hälfte der Kassenbeiträge in den angegebenen Fällen zu zahlen. Diesem Beispiele sind alle hiesigen Firmen sowie noch andere Arbeitgeber gefolgt. Ferner hat die Firma Durst & Krey Nachfolger ihre beschäftigungslosen Arbeiter durch Barmittel unterstützt. Sie zahlte nach Einstellung ihres Betriebes ihren arbeitslosen verheirateten Arbeitern pro Woche 5 Mark, den ledigen 2,50 Mark.

Der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Samt-, Plüsch- und Samtbandfabrikanten, Herr Ewald Goecke-Krefeld, überwies als Arbeitslosenbeihülfe aus seinen Mitteln zu Händen des Herrn Geheimrats van der Upwich-Lobberich 200 Mark.

Wie Handwerk und Industrie allenthalben reichlich Gelegenheit gegeben wurde, sich an Lieferung und Herstellung von Kriegsbedarfsartikeln zu beteiligen, so wurden auch in Lobberich bedeutende Aufträge ausgeführt. Emsig arbeiteten Schneider und Schneiderinnen Militärmäntel, Hosen usw. Schuhmacher lieferten große Posten Militärstiefel. Die Textilindustrie befaßte sich mit der Herstellung einschlägiger Kriegslieferungen. Der mechanischen Möbelfabrik W. Utzenrath hier wurde die Herstellung von Bettstellen für Lazarettzüge übertragen, wodurch ihr für einige Zeit reichlich Arbeit gegeben wurde. Die Ablieferung der ersten 400 Bettstellen konnte in einem Zeitraum von 14 Arbeitstagen erfolgen.

Der Gemeinderat setzte im November 1915 eine Kommission ein zur Regelung der Fürsorge für arbeitslose Textilarbeiter.

Der Bürgermeister gab im Dezember 1915 bekannt, daß auf Anordnung des Reichsamtes auch für die Gemeinde Lobberich eine Erwerbslosenfürsorge einzurichten sei.

Die Arbeitslosenbewegung hatte auch hier eingesetzt.


Bekanntmachung

Der Arbeitslosenausschuß hat bestimmt:

Die von der Gemeinde unterstützten Arbeitslosen sind verpflichtet, die von der Gemeinde ihnen zugewiesenen Arbeiten ohne besondere Entschädigung auszuführen.

Kriegerfrauen und Eltern von Kriegern sollen Arbeitslose zur Bearbeitung der Gärten und des Landes zur Verfügung gestellt werden. Auch anderen Personen können Arbeitslose gestellt werden, soweit es möglich ist. Die für die Arbeitsleistung zu zahlenden Entschädigungen werden vom Ausschuß festgesetzt und fließen in die Gemeindekasse.

Arbeitslose, welche sich selbst Arbeit verschaffen, sind an vorstehende Bedingungen nicht gebunden, wenn sie sich vorher als arbeitslos abmelden.

Unterstützungsempfänger, welche nur vorübergehend, aber mindestens einen halben Tag arbeitslos sind, haben sich wie bisher bei Herrn Frank zumelden. Für alle übrigen Arbeitslosen aber wird auf Zimmer Nr. 5 des Rathauses eine Arbeitsnachweisstelle eingerichtet, welche jeden Werktag während der Dienststunden geöffnet ist. Diese Arbeitsnachweisstelle nimmt auch alle Anträge auf Zuweisung von Arbeitslosen zur Arbeitsleistung entgegen.

Lobberich, den 23. April 1918

Der Bürgermeister.


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